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[ U-Bahn-Archiv / U-Bahn-Geschichte(n) / Biographien / Alfred Grenander]

Fritz Hellwag:
Neue Arbeiten von Prof. A. Grenander

Die Kunst, Band 62, Heft 1 (Oktober 1929), S. 7-15




Alfred Grenander, Landhaus Zangemeister (Berlin-Westend)
Alfred Grenander. Landhaus Zangemeister, Berlin-Neu-Westend

Alfred Grenander ist ein Vertreter der älteren Berliner Architektengeneration. Aber nicht nur dieser Umstand veranlaßt es, daß er verhältnismäßig wenig bekannt ist, vielmehr seine ungewöhnliche Zurückhaltung; er macht nicht viel von sich reden, im Gegensatz zu manchem anderen seiner Berufsgenossen. Dennoch sollte ihn, zumindest in Berlin, jeder, besonders die für alles Technische begeisterte Jugend, kennen, ist er doch der Schöpfer fast aller Berliner Untergrund- und Hochbahnhöfe, und deren gibt es in der Riesenstadt nicht wenige. Seine letzten sehr umfangreichen Leistungen auf diesem Gebiet sind die Bahnhöfe in Neukölln und am Nollendorfplatz, wo Züge doppelgleisig in drei Stockwerken übereinander dahinbrausen, zwei unter der Erde und eines hoch über dem Niveau des verkehrsreichen Platzes. Die meisten dieser Haltestellen sind mit hellglasierten Kachelwänden umgeben, und alles blinkt von Sauberkeit und Präzision; zugegeben, daß Jüngere, etwa Mendelsohn, die Eigenart des großartigen Verkehrserlebnisses formal zwingender zum Ausdruck gebracht und sich der Mittel der neuen Bautechnik drastischer bedient hätten, — in Berlin empfand man die elegante Haltung der Grenanderschen Bauweise — im Vergleich zur wilhelminischen Romantik, die sich gerade an dieser Stelle im Stil von Altheidelberg schrecklich ausgetobt hat — wie eine Erlösung

Alfred Grenander, Landhaus Zangemeister (Berlin-Westend), Diele Arch. Alfred Grenander
Diele im Landhaus Zangemeister
Eingelegtes Parkett in verschiedenen Farben

Alfred Grenander, Landhaus Zangemeister (Berlin-Westend), Diele A. Grenander
Fensterecke der Diele im Landhaus Zangemeister
Ausführung: J. Groschkus, Berlin

Die „Haltung“ ist Grenanders Vorzug auch bei profanen Kleinbauten, mit denen wir uns heute hier beschäftigen wollen. Sie ist ein germanisches Erbteil des Künstlers, der, als geborener Schwede, seine nationale Eigenart trotz vieler in Deutschland verlebter Jahrzehnte in keinem seiner Werke ganz verleugnet. Er weiß, daß es für die Wirkung auf feiner gestimmte Menschen keiner lauten Akzente bedarf und ein stilles Profil, ein an passender Stelle angedeutetes Ornament, sofern beide nur wirklich gekonnt sind, ihre Aufgabe und Bewegung oder Unterbrechung zuweilen besser und nachhaltiger erfüllen als tönende Voluten und stampfendes Gebälk. Und, das muß man ihm zugeben, sein formales Handwerk versteht er sichr, und es ist nicht seine Schuld, wenn seine feinen Klangwirkungen von grobsinnig gewordenen Ohren nicht mehr vernommen werden.

Alfred Grenander, Inneneinrichtung von der Heydt, Speisesaal
A. Grenander. Wohnung von der Heydt, Berlin. Speisesaal in afrikan. Rosenholz

Alfred Grenander, Inneneinrichtung von der Heydt, Wohnzimmer
A. Grenander. Wohnung von der Heydt, Berlin.
Blick vom Musikzimmer in das Wohnzimmer mit alten Möbeln

Von den drei hier im Bilde vorgeführten Lösungen ist die Wohnung von der Heydt für Granander vielleicht die charakteristischste, weil sie den meisten Takt erforderte. Es war die Aufgabe gestellt, eine alte Berliner Mietsbehausung wohnlicher zu gestalten. Was „Berliner Mietswohnung“ — diese hier in der Lützowstraße, also in einer echten Gründergegend, gelegen — bedeutet, kann nur der ermessen, der sie zu ertragen verurteilt gewesen ist. Den Speisesaal, weil er am meisten auch bei künstlichem Licht benutzt werden kann, verlegte der Architekt in das sogenannte „Berliner Zimmer“, jene diabolische Erfindung stumpfsinniger Grundrißgestaltung, die dem größten nur von einer Ecke, wo Schmal- und Längsseite aneinanderstoßen, einfenstriges Licht zuführt. Grenander hat nun daneben, vom benachbarten Zimmer aus (vgl. das Herrenzimmer) in die Längsseite noch ein Fenster eingebrochen und damit dem Speisesaal auch bei Tage leidliche Helligkeit gegeben und läßt sie von weißer Decke und weißen Wänden nach Möglichkeit reflektieren. Sämtliche Möbel sind hier aus afrikanischer Rose gebildet, einem Holz, das bei aller Zartheit, doch eine recht ausgeprägte, schnittige Maserung zeigt. Im Herrenzimmer sind die Möbel, der Tradition entsprechend, dunkel gehalten und stehen vor kostbarer, dunkelroter Tapete. Durch energischen Einschnitt der seitlich verlegten Tür sind das Musik- und das Wohnzimmer zu harmonischer Zusammenwirkung geteilt und vereint worden; beide Räume haben schablonierte Velourstapeten und sind mit alten Stilmöbeln eingerichtet.

Alfred Grenander, Inneneinrichtung von der Heydt, Herrenzimmer A. Grenander
Wohnung von der Heydt, Berlin.
Herrenzimmer

Alfred Grenander, Inneneinrichtung von der Heydt, Diele A. Grenander
Wohnung von der Heydt, Berlin.
Diele

Vom Haus Zangemeister in Neu-Westend bilden wir die Straßenansicht ab. Es ist ein anspruchsloser, aber darum nicht minder geschmackvoller, einstöckiger Bau, in dem von Grenander oft bevorzugten Kleinziegel errichtet. Der Clou dieses Hauses ist die in verschiedenfarbigen Parkettplatten ausgelegte Diele mit einer zierlichen Treppe zu den im Dach liegenden oberen Räumen. Beachtenswert ist der langgestreckte Wandtisch mit Intarsienschmuck auf der Platte und in den Zargen und mit vergoldeten, quastenartigen Kapitellen der Beine. Das ist ein Stück, in dem die schwedische Art des Künstlers deutlich durchklingt.

Alfred Grenander, Sekretär, Intarsien A. Grenander
Sekretär
Wurzelmaserung mit Intarsien und Bronebeschlägen

Alfred Grenander, Kleine Kommode A. Grenander
Kleine Kommode

Überhaupt wendet sich die ganze Liebe Grenanders seit jeher auch den Gegenständen zu, an denen feines Handwerk sich betätigen kann. Verächtlich bezeichnet man heute solches als „kunstgewerblich“, ohne zu bedenken, daß gerade hier ein hohes Maß von „Technik“ erforderlich ist. Man denke nur einen Augenblick an ein in Beton (!) angebundenes Büfett von Le Corbusier, um die so unendlich verschiedene kulturelle Einstellung Grenanders zu ermessen, zu deren gerechter Beurteilung unsere beiden Stücke (Sekretär und Kommode) die beste Möglichkeit bieten. Ob nicht Entwurf und Leitung solcher Arbeiten mehr „technisches“ Verständnis (vom künstlerischen ganz zu schweigen) erfordern als die Angaben für ein zwischen Brettern geformtes Büfett?

Für diese Arbeiten, sowie für die beiden Intarsien-Supraporten im Hause von Flotow standen dem Künstler in Ernst Nast und in der Möbeltischlerei J. Groschkus in Berlin gute Helfer zur Seite. Besonders Groschkus verdient es, daß man seiner oft bewährten handwerklichen Arbeit ein Wort der Anerkennung widmet. Es ist kein Zufall, daß, von ganz anderer Seite kommend und nach manchen enttäuschenden Irrfahrten, auch Heinrich Tessenow, ein „gefürchteter“, pedantischer Qualitätsforderer, mit dieser Möbelfabrik arbeitet, weil hier das Handwerk eine gute Stätte hat und auf den Künstler zu hören versteht.

Alfred Grenander, Inneneinrichtung von Flotow, Supraporte Abendstimmung
A. Grenander. Wohnung Geheimrat von Flotow, Berlin. Supraporte „Abendstimmung“

Alfred Grenander, Inneneinrichtung von Flotow, Supraporte Morgenstimmung
A. Grenander. Wohnung Geheimrat von Flotow, Berlin. Supraporte „Morgenstimmung“

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