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[ U-Bahn-Archiv / U-Bahn-Geschichte(n) / Biographien / Alfred Grenander]

Dr. Otto Pelka: Moderne Innenräume

Der Profanbau, Jahrgang 1910, Heft 1 (1. Januar 1910), S. 24-29.



Im laufenden Jahrgang erscheinen in zwangloser Folge eine Reihe von Abhandlungen über moderne mustergültige Innenräume, die Anregungen und Vorbilder für eine zeitgemäße, geschmackvolle Wohnungsausstattung geben sollen.

In erster Linie werden solche Werke neuzeitlicher Raumkunst berücksichtigt werden, deren Schöpfung das Werk eines Künstlers ist, in denen also Raumdisposition und Ausstattung Erzeugnisse eines einzigen künstlerischen Willens sind. In dieser Hinsicht kommen zunächst Ausbau und Einrichtung von Einfamilienhäusern, beziehungsweise Geschäfts- und Bureauräume in Frage. Aber auch solche Einrichtungen, bei deren Entwurf und Ausführung verschiedene künstlerische Kräfte mitgewirkt haben, sollen im Bilde vorgeführt werden, ebenso die Ausstellungsräume hervorragender Firmen der Möbelfabrikation, sofern das Mobiliar bestimmt ist für eine Aufstellung in einfachen, ohne gesuchte architektonische Konstruktionseffekte erbauten Wohnräumen, wie sie das moderne Mietshaus zeigt oder zeigen soll.

Dem sich verfeinernden Farbenempfinden unserer Generation wird eine möglichst ins Einzelne gehende Beschreibung der Materialien und ihrer Tönung den Weg weisen zum Verständnis des für die Harmonie der Gesamterscheinung notwendigen Zusammenwirkens von Form und Farbe.

I. Alfred Grenander

Es kann naturgemäß nicht die Aufgabe dieser Zeilen sein, das vielseitige Schaffen Alfred Grenanders in seinem Gesamtumfange vorzuführen, so interessant es auch wäre, den Entwicklungsgang des einstigen Wallot-Schülers und -Mitarbeiters zu verfolgen, von der Zeit an, da er noch im Banne der historischen Schule stand bis zur Gegenwart, die ihn als einen feinsinnigen Interpreten der Moderne kennt und schätzen gelernt hat. — Grenanders künstlerischer Werdegang vollzieht sich nicht in einer gleichmäßig ansteigenden Linie. Auch er ist von Irrtümern nicht bewahrt geblieben. Allain die fortschreitende Entfaltung seiner künstlerischen Individualität haben solche vorübergehenden Hemmungen nicht aufzuhalten vermocht. Die ureigenste Wesenheit von Grenanders künstlerischem Genius läßt sich nirgends besser erkennen als da, wo er am intimsten wirkt in seinen Raumschöpfungen.

Alfred Grenander, Wohn- und Musikzimmer
Wohn- und Musikzimmer. Entwurf: Prof. Alfred Grenander, Berlin. Ausführung: A. S. Ball, Berlin.

Alfred Grenander, Herrenzimmer
Herrenzimmer. Entwurf: Prof. Alfred Grenander, Berlin. Ausführung: A. S. Ball, Berlin.

Die ersten beiden Abbildungen geben zwei von den vier Zimmern wieder, mit denen Grenander die von der Berliner Firma A. S. Ball im Jahre 1906 veranstaltete „Ausstellung künstlerischer Innenräume” beschickt hatte. Beiden sieht man ohne weiteres an, daß eine künstlerische Persönlichkeit sie geschaffen und beide zeigen wiederum Grenanders Eigenart in hervorragendem Maße.

Grenander kam nicht wie viele der modernen Dekorationskünstler von der Malerei oder Plastik. Sein ursprüngliches Schaffengebiet, die Architektur, hat ihn vor Willkürlichkeiten und phantasievollen Exzentrizitäten in der Konstruktion und der Dekoration, ohne die sich viele eine malerische Architekturwirkung nicht denken konnten, bewahrt. In diesen Räumen ist nichts gesucht, nichts übertrieben. Taktvoll ordnet sich die Architektur dem Mobiliar unter; und dieses wiederum harmonisiert in seinen schmiegsamen, griffigen Formen mit der selbstverständlichen vornehmen Elleganz der Raumdisposition. So raffiniert einfach die Durchbildung der Form erscheint, so fein durchdacht und abgewogen sind die koloristischen Wirkungen dieser Räume, die nicht etwa zufälligen Phantasielaunen ihre Existenz verdanken, sondern der gewollten Absicht eines, der alle Möglichkeiten der Materialverwendung souverän beherrscht.

Das Wohn- und Musikzimmer, in dem leider der Flügel fehlt, ist in Raum- und Farbwirkung wohl das vornehmste. Die Möbel sind aus hellem Mahagoni mit Einlagen aus Nußbaum. Decke und Oberwände sind weiß gehalten; die Bekleidung der unteren Wandflächen ist rötlich. Die überaus subtil behandelten Beleuchtungskörper bestehen aus versilbertem Metall mit Kristallbehang. Die koloristische Dominante bildet die Kaminwand; auf beiden Seiten des Kamins ist sie mit tiefroten, stark lüstrierenden Fliesenplatten belegt, deren ornamentaler Dekor, ein Blumenrelief, die Reflexwirkung des Lüstres wunderbar erhöht. Der Kamin selbst wird umrahmt von zwei Pfeilern aus rötlichem Steinmosaik, auf denen ein Fries aus poliertemn gelben Marmorplatten in Mosaikfassung ruht. Die Kaminhaube ist aus getriebenem und versilbertem Metall hergestellt. Diese Farbensymphonie wirkt zwar auf den Beschauer etwas kühl und vornehm-festlich, sie zeugt aber doch in ihren einzelnen Akkorden und in der Harmonie des Ganzen von der vollendeten Geschmackskultur ihres Schöpfers.

Seinem Zweck entsprechend ist das Herrenzimmer auf einfachere Farbenklänge gestimmt. Der koloristische Reiz der aus afrikanischem Mahagoni angefertigten Möbel liegt in der Verwendung von reichen Einlagen aus Zinn, Messing, Elfenbein, Ebenholz, und einem graugrünen Mahagoni. Den neutralen Grund, von dem sich diese reizvollen Kompositionen wirksam abheben, bildet die in grauen Tönen gehaltene Wandbespannung und der ebenfalls graue Lederbezug der Sitzmöbel.

Alfred Grenander, Typograph GmbH, Direktorenzimmer Direktorzimmer der „Typograph” G. m. b. H., Berlin. Entwurf: Prof. Alfred Grenander, Berlin.

Alfred Grenander, Typograph GmbH, Direktorenzimmer Direktorzimmer der „Typograph” G. m. b. H., Berlin. Entwurf: Prof. Alfred Grenander, Berlin.

Ähnlich dem vorigen in seiner Bestimmung ist das Direktorenzimmer des „Typograph”, G. m. b. H., mit dem Unterschiede jedoch, daß bei der Komposition dieses Raumes mehr als vorhin Rücksichten auf persönliche Wünsche zugunsten einer mehr objektiven, allgemeingültigen Behandlung der Formen zurückgestellt wurden. Ein Bureauraum soll in seiner Einrichtung von seinem Zwecke Kenntnis geben. Wie geschäftliche Verhandlungen sich in Form und Inhalt wesentlich von dem Gespräch unterscheiden, das im Wohnzimmer der Familie oder im Arbeitszimmer des Mannes geführt wird, so soll auch der Raum, der das Wirkungsgebiet des Leiters einer großen geschäftlichen Unternehmung äußerlich umschließt, auf den ersten Blick die Empfindung ruhiger und strenger Sachlichkeit auslösen. Ohne eintönig und düster in den Farben zu sein, ist Grenander doch vollkommen den Anforderungen, die die Gestaltung eines solchen Raumes dem Architekten aufnötigt, gerecht geworden. Wände und Decke sind aus hellgebeizter Eiche, die von Nußbaumprofilen eingefaßt ist. Der graublaue Fußbodenbelag kontrastiert wirksam mit den roten Lederbezügen der Möbel. Die Beleuchtungskörper aus schwarz patiniertem Metall erscheinen mir in ihrer Form allerdings für ihren Zweck zu dürftig.

Alfred Grenander, Haus Casierer, Diele Haus Casierer, Berlin. Diele. Entwurf: Prof. Alfred Grenander, Berlin.

Alfred Grenander, Haus Casierer, Vorraum Haus Casierer, Berlin. Vorraum. Entwurf: Prof. Alfred Grenander, Berlin.

Der Hinweis auf die Abbildungen von Vorraum und Diele des Hauses Cassirer mag diese kurzen Ausführungen, in denen das Hauptaugenmerk auf die farbige Komposition gerichtet war, beschließen. Der Bedeutung eines Vorraumes als eines Ortes, der dem Eintretenden einen angenehmen ersten Eindruck vermitteln soll und ihm sagen will, daß er als Gast freundliche Aufnahme finden werde, sind auch die Farben angepaßt. Alles ist licht und hell: die Decke aus weißem Stuck mit den versilberten Beleuchtungskörpern, die Wandbekleidungen und Schränke aus weiß lackiertem Holze und die gleichfalls versilberten Metallteile des Heizkörpers.

Um einiges ruhiger und gedämpfter wirkt die sich anschließende Diele. Die vorherrschende Farbe ist hier ein verschieden nüanciertes Grau: die Holzarbeiten sind aus grau geräucherter Eiche mit Nußbaumeinlagen, die Lederbezüge der Möbel graublau, der Fußbodenbelag grau und die Beleuchtungskörper aus dunkel getöntem Messing.

Es ist selbstverständlich, daß nicht jeder Geschmack mit den Formen dieser Einrichtungen in allen Einzelheiten einverstanden sein wird; das eine wird man aber ohne Vorbehalt zugeben müssen, daß Grenander, wie nicht viele, ein außerordentlich fein entwickeltes Gefühl für farbige Stimmungswerte besitzt.

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